Erstaunen und Bewunderung ergreifen mich,
wenn ich die Herrlichkeit Gottes sehe,
die sich zu mir,
die ich lauter Elend bin, herabneigt.
Meiner Seele entreißt sich Ihm gegenüber
Dankbarkeit für alle Gnaden,
die Er mir schenkt,
besonders aber für die Gnade der Berufung
zu Seinem ausschließlichen, heiligen Dienst.
(TB 1814)
Jede Berufung ist eine Gabe Gottes für den Menschen, aber eine besondere Gabe ist die Berufung zum Dienst Gottes im Priesteramt und im geweihten Leben. Diese Einladung richtet Gott nicht an alle Menschen, sondern nur an Auserwählte. Sein Wahl ist völlig frei und bleibt immer ein Geheimnis für uns. Hier ist weder die Herkunft noch die Bildung, weder die gesellschaftliche Situation noch diese oder jene Begabung von Bedeutung, ja nicht einmal persönliche Vollkommenheit. „Er erwählte die, die Er selbst wollte“ – heißt es kurz in der Heiligen Schrift.
Die Berufung zum Ordensleben ist eine Einladung zu einer tieferen Lebensgemeinschaft mit Jesus und zur Teilnahme an Seiner Sendung. Sie ruft zu bräutlicher Liebe zu Christus auf dem Weg der evangelischen Räte Keuschheit, Armut und Gehorsam auf und dazu, Seine Sorgen um die Erlösung und Heilung der Welt zu teilen. In jedem Institut des geweihten Lebens bestimmt das Charisma, auf welche Weise wir Jesus nachfolgen und welche Aufgaben wir erfüllen sollen, um an Seiner Sendung teilzunehmen. In der Kongregation der Muttergottes der Barmherzigkeit nehmen die Schwestern gemäß ihrem Charisma am Leben des Barmherzigen Jesus und an Seiner Heilssendung teil, indem sie der Welt die erbarmende Liebe Gottes zum Menschen sichtbar machen.
Ich danke Dir, Gott für die Berufung,
Ausschließlich in Deinem Dienst zu sein.
Die Möglichkeit, nur Dich zu lieben,
Bringt meiner Seele Ehre ein.
Ich danke Dir, Herr, für die ewigen Gelübde,
Für den Bund, den reine Liebe eint.
Dein reines Herz verband sich mit meinem,
Im Bündnis der Unbescholtenheit (TB 1286).
So dankte die hl. Schwester Faustina für die Gnade der Berufung. Sie wusste, dass es eine Gabe der Barmherzigkeit Gottes ist, die sie umsonst bekam, völlig unverdient, eine so große Gabe, dass sie mit keiner anderen Berufung zu vergleichen war. Die Braut Christi zu sein, ist die größte Würde für den Menschen auf Erden. Ich will lieber im Kloster ein unbedeutendes Aschenbrödel sein – bekannte sie – als draußen in der Welt eine Königin (TB 254). Als sie ihre Berufung entdeckte und ins Kloster eintrat, schien es ihr, als würde ein himmlisches Leben beginnen. Ihrem Herzen entrang sich ein Dankgebet, denn große Dinge hatte Gott an ihr getan, indem Er sie zu bräutlicher Liebe zu Seinem Sohn und zur Teilnahme an Seiner Sendung aufrief. Ich bin außerordentlich glücklich – schrieb sie im „Tagebuch“ – obwohl ich die Kleinste bin. Ich möchte aber nichts daran ändern, was mir Gott gab. Selbst mit Seraphim möchte ich nicht tauschen, in Bezug auf die innere Erkenntnis Seiner Selbst, die mir Gott gibt (TB 1049).
Sie fühlte sich stets durch ihre Berufung zum ausschließlichen Dienst Gottes geehrt und antwortete darauf auf vollkommene Weise mit ihrem ganzen Leben. Viele Male brachte sie in ihrem „Tagebuch“ nicht nur zum Ausdruck, wie sehr sie diese Gnade schätzte, sondern auch, auf welche Weise sie sie beantwortete. Ich gehe durchs Leben unter Regenbögen und Gewitter hindurch – notierte sie – aber mit erhobener Stirn, denn ich bin ein Königskind. Ich fühle, dass Jesu Blut in meinen Adern fließt und mein Vertrauen habe ich in die große Barmherzigkeit des Herrn gelegt (TB 992).
Sie begriff, dass die Gnade der Berufung nicht nur eine große Würde der Braut des Sohnes Gottes war (nach den ewigen Gelübden trug sie einen Trauring mit dem Namen Jesus am Finger), sondern auch die Verpflichtung, Ihm bis ans Ende zu folgen, nicht nur in den Momenten auf dem Berg Tabor bei Jesus zu sein, sondern auch im Ölgarten und auf Golgota. Die Braut muss ihrem Bräutigam ähnlich sein – sagte Jesus zu ihr, und sie wusste, was das für eine Ähnlichkeit sein sollte. An Sr. Ludwina schrieb sie: Schwester, was für eine Freude fühle ich, dass Jesus mich in unseren Orden berufen hat, der sich eng mit dem Werk und mit der Sendung verbindet, die Jesus hatte, mit der Rettung von Seelen. Und wenn wir dieser Sendung treu sind, dann wird uns bestimmt manch eine Seele den Himmel verdanken. Aber wir müssen immer daran denken, dass unsere Sendung erhoben ist, ähnlich wie die Sendung Jesu. Wir müssen den Geist und die Eigenschaften Jesu in ihrer ganzen Fülle haben, uns also aus Liebe zu Gott zu Gunsten der unsterblichen Seelen selbst abtöten (…). Liebe Schwester, fürchten wir uns nicht vor einem Opfer, das dem Opfer Jesu am Kreuze ähnelt; fürchten wir uns überhaupt nicht, denn die Liebe gibt uns die Kraft und den Mut, dieses Opfer zu bringen. Was für eine Freude es ist, sich für den unsterblichen König und Bräutigam zu vernichten. Was für eine Freude, wie eine Feldblume zu Füßen Jesu zu sein, langsam zu welken und mit ihrem Duft Sein göttliches Herz zu entzücken (Briefe 253).
In ihrem „Tagebuch“ zeigte Schwester Faustina am besten, was die Gnade der Berufung ist und wie man sie in seinem Alltag erleben sollte. Die Einladung zum Leben „zu zweit“ mit Jesus ist eine große Gabe, aber auch Aufgabe. Auch wenn sie mitunter das Tragen einer Dornenkrone und das Schleppen des Kreuzes verlangt, bringt ihre Erfüllung die Freude der Verwirklichung im eigenen Menschentum und in der christlichen Berufung.
Übersetzt von Sabine Lipińska