Das Apostolat der Kongregation beruht vor allem auf dem Zeugnis des geweihten Lebens, das im Sinne der Stifterinnen im Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes, in Gebet und Buße zum Ausdruck kommt sowie im Dienste der barmherzigen Tat (Art. 77 der Konstitutionen).
Die Form der Verkündigung der Botschaft der Barmherzigkeit durch Tat, Wort und Gebet in den einzelnen Klöstern ist von den lokalen Bedingungen und Bedürfnissen der Menschen vor Ort abhängig. Die Schwestern verrichten ihren Dienst u. a. in Gefängnissen, sie besuchen Pfarreien, reisen zu Symposien, Kongressen, in Schulen, zu Treffen mit verschiedenen Gemeinschaften, um die Gabe der Botschaft der Barmherzigkeit, die Jesus durch die hl. Schwester Faustina übermittelte, zu teilen und um in den Herzen der Menschen Hoffnung zu wecken. Sie sind sich bewusst dass sie nicht nur am Leben, sondern auch an der Sendung Jesu teilnehmen, der der Welt die erbarmende Liebe Gottes zu jedem Menschen offenbarte, der dies auch heute tut, indem er sich der Menschen bedient.
ICH WAR IM GEFÄNGNIS …
Die Liebe Gottes drängt uns zur Verkündigung der Botschaft von der erbarmenden Liebe Gottes insbesondere zu denjenigen, die am meisten vom Verlust der Erlösung bedroht sind. Hier, in Boston (USA), gelangen wir mit der Botschaft der Barmherzigkeit Gottes insbesondere zu Häftlingen. Zurzeit besuchen wir regelmäßig 5 Gefängnisse: vier für Männer, eines für Frauen. An diesen Orten begegnen wir Menschen, die nach Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung dürsten. In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen der Verkündigung der Botschaft der Barmherzigkeit für Häftlinge und ihrer Verkündigung an die Gläubigen in den Pfarreien oder an die Teilnehmer der Kongresse der Apostel der Barmherzigkeit Gottes. Es existiert jedoch ein sehr wesentlicher Unterschied. In den Gefängnissen treffen wir nämlich Menschen, die die Erfahrung ihres Elends und der Erniedrigung infolge ihrer bösen Entscheidungen gemacht haben, wir begegnen sogar Menschen, die verzweifelt sind. Wenn aber ein Sünder die Botschaft von der erbarmenden Liebe Gottes hört, [öffnet er] seine Herzenstür ein wenig für den Strahl der Barmherzigkeit Gottes (…), das Übrige wird dann von Gott erfüllt (TB 1507). Das ist erstaunlich! Amen, das sage Ich euch – sagte Jesus – Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr (Mt 21, 31).
In einem der sehr strengen Gefängnisse, in dem sich Männer befinden, die zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, ja sogar zu lebenslänglich, sind wir Zeugen eines ungeheuren Wirkens der Gnade Gottes. In diesem Gefängnis befindet sich eine Kapelle, die der Muttergottes von Guadalupe geweiht ist. Jesus ist sakramental gegenwärtig und die Häftlinge haben die Gelegenheit, ein- oder zweimal im Monat zur Beichte zu gehen, sie können täglich die heilige Kommunion empfangen, an einem Bibelkreis und der Katechese teilnehmen. Auf dem Programm unsere monatlichen Besuche stehen die Ausstellung des Allerheiligsten Sakraments, das Gebet sowie eine Predigt über die Barmherzigkeit Gottes. Im Laufe der letzten 12 Jahre unseres Dienstes in diesem Gefängnis haben wir bei vielen Personen eine völlige Veränderung bemerkt. Die Häftlinge, die dem Glauben gleichgültig gegenüberstanden, die anfänglich nur deshalb zu unseren „Gebetstreffen“ kamen, um die Zeit totzuschlagen sind heute ins Gebet versunken und empfangen die heiligen Sakramente mit großer Inbrunst. Sie strahlen Freude, Frieden, Liebe – ja man könnte sich sogar erkühnen zu sagen – Heiligkeit aus. Ähnliche Gnaden beobachteten wir in anderen Gefängnissen. Männer mit einem strengen, groben Gesichtsausdruck wurden nach der Annahme der Gabe der erbarmenden Liebe Gottes friedvoll wie Kinder.
Seit Februar 2008 besuchen wir ein Gefängnis, in dem es fünf Jahre lang keine katholischen Gottesdienste gab. Wir begannen unseren Dienst dort mit dem Bestreuen der Köpfe mit Asche am Aschermittwoch. Die Schwestern, die von Gefängniswärter eskortiert wurden, hatten die Gelegenheit, jeden Winkel des Gefängnisses zu besuchen und zu jedem vorzudringen, sogar zu den Häftlingen, die in ihren Zellen eingeschlossen waren. Hier konnten die Häftlinge nur durch eine Öffnung ihren Kopf zum Bestreuen mit Asche hervorstrecken. Weil die Zeit begrenzt war, bemühten sich die Schwestern anlässlich des Bestreuen mit Asche jedem Gefangenen wenigstens ein Wort der Ermunterung zu sagen, nämlich, dass Gott sie liebt. Der Gefängniswärter, die die Schwestern durch die Korridore führte, klopfte an die Zellentüren und fragte jeden Häftling, ob er Asche bekommen wollte. Einer der Häftling antwortete: NEIN! Als er jedoch nach dem Weggehen des Wärter uns Ordensschwestern endreckte, begann er heftig an seine Zellentür zu klopfen, wobei er rief: Hat das etwas mit Gott zu tun? Ja, ich will! Ein anderer Häftling wiederum, der in der Schlange zum Bestreuen der Köpfe mit Asche stand fragte: Was bedeutet das alles? Die Schwester erklärte kurz, dass es ein Zeichen der Buße und unseres Vertrauens in die Barmherzigkeit Gottes sei. Daraufhin antwortete der Häftling, dass er damit nichts zu tun haben wolle. Als die Schlange jedoch zu Ende ging, stellte sich jener Häftling an und sagte, als er vor der Schwester stand: Ich habe meine Meinung geändert. Auf diese Weise begannen wir unseren apostolischen Dienst in diesem Gefängnis. Das war natürlich auch für uns ein außergewöhnliches Erlebnis, der Beginn weiterer Wunder des Wirkens der Gnade Gottes!
Seit dieser Zeit begannen wir regelmäßig, einmal in der Woche, dieses Gefängnis zu besuchen. Wir fanden einen eifrigen Priester, der die Eucharistie spendet. Unsere Begegnungen in diesem Gefängnisse sehen folgendermaßen aus: Die Häftlinge versammeln sich in der Kapelle, der Priester spricht einige einleitende Worte zum Sakrament der Buße, um dann im „Beichtstuhl“ im Nebenzimmer Platz zu nehmen. Währenddessen halten die Schwestern, die eine ganze Stunde zur Verfügung haben, zuerst den Rosenkranz zur Barmherzigkeit Gottes durch, um danach die Häftlinge auf die Öffnung ihres Herzens für die Gnade Gottes vorzubereiten: sie erzählen ihnen von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes und helfen ihnen, eine Gewissenserforschung zu machen. Große Wunder der Gnade geschehen vor unseren Augen! Wir sehen wie machen, von innerer Qual und Unruhe gepeinigt nicht ruhig auf ihrem Stuhl sitzen können, plötzlich aufspringen und mit Tränen in den Augen zum Beichtstuhl „laufen“. Wir sind Zeugen einer GROSSEN Veränderung, die sich nach der heiligen Beichte in ihnen vollzieht: sie sind beruhigt, mit Gott versöhnt und ihr Gesicht strahlt Hoffnung aus … Und viele Wunder der Gnade sehen wir gar nicht!!! Nach der Beichte nehmen die Häftlinge auch an der heiligen Messe teil.
Es ließe sich auch viel über unsere Erfahrungen im Gefängnis für Frauen sagen. In diesem Gefängnis haben wir noch kein so ausgearbeitetes Programm, wie in den bereits erwähnten Männergefängnissen. Wir verkünden den Insassinnen ganz einfach die Botschaft von der erbarmenden Liebe Gottes, von Seinem Verlangen zu vergeben, zu heilen und eine Veränderung herbeizuführen. Wir sprechen darüber, wie wahrhaftig und greifbar die Barmherzigkeit Gottes ist und dass sie insbesondere im Sakrament der Versöhnung zugänglich ist. Wir sehen, wie sich in ihren Herzen das Verlangen nach diesem Sakrament regt, so wollten sie „gleich“ zur Beichte gehen. Leider haben sie diese Möglichkeit noch nicht, weil uns kein Priester begleitet. Wir vertrauen aber darauf, dass sich dies in Bälde ändern wird.
In unserem Dienst in den Gefängnissen machen wir die Erfahrung, wie die Verkündigung der Barmherzigkeit Gottes zum Gebet und zu den Sakramenten, zu einer Vertiefung des christlichen Lebens führt. Dank der Gnade Gottes sind viele Häftlinge, die jahrelang ohne Sakramente lebten, zu Gott zurückgekehrt. Wir sind Zeugen, wie viele von ihnen, anfänglich ohne Glauben, später zu einem Vorbild für andere Häftlinge wurden (und nicht nur für Häftlinge). Wir sind Zeugen, wie manche, voller Angst und Verzweiflung, sich mit kindlichem Vertrauen an die Barmherzigkeit Gottes wandten. Wir sind Zeugen, wie Frieden, Freude und Gnade in die Herzen derer Einzug hielten, die bereits alles für verloren hielten!
Wir gehen aber nicht nur deshalb in die Gefängnisse, um „verlorene Seelen“ zu retten, sondern auch deshalb, um die Barmherzigkeit Gottes für uns selbst zu erlangen. Jesus identifizierte sich in besonderer Weise mit den Armen, Kranken, Obdachlosen und Gefangenen. Wir gehen in die Gefängnisse, um ganz einfach Christus selbst zu begegnen, um die Kraft Seiner Gnade zur Veränderung des eigenen Lebens zu erlangen, um mit größerem Glauben und Vertrauen die heiligen Sakramente zu empfangen und eine Veränderung des Herzens zu erleben. Christus ist im Gefängnis wahrhaftig gegenwärtig und wir begegnen jedes Mal, wenn wir dort hingegen.
Sr. M. Teresa dela Fuente ISMM
Sr. M. Guadalupe Robles ISMM
„Botschaft der Barmherzigkeit” 70 (2009)
Übersetzt von Sabine Lipińska